Die Marathonläufe sind die großen Highlights bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris.
Am 10. August 2024 treten die schnellsten Frauen der Welt zum Olympia-Marathon an, einen Tag später werden die Männer für ein spektakuläres Finale der Leichtathletik-Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen sorgen.
Olympia-Marathon der Männer: Die Favoriten
Leider kein episches Duell Kipchoge vs. Kiptum
Alle Laufsport-Fans hätten beim Olympia-Marathon 2024 in Frankreich auf ein Generationen-Duell zwischen Altstar Eliud Kipchoge und Jungstar Kelvin Kiptum gehofft. Das Duell wäre vergleichbar mit dem spektakulären Boxkampf Jake Paul vs. Mike Tyson, welcher nur wenige Tage vor den Olympischen Spielen stattfinden wird. Der 39-jährige Kipchoge hätte da den Part des mehrmaligen Weltmeister Tyson übernommen, der mehr als eineinhalb Jahrzehnte jüngere Kiptum die Rolle von Jake Paul.
Doch der tödliche Auto-Unfall von Weltrekordhalter Kiptum setzte am 11. Februar 2024 diesem erhofften Marathon-Spektakel ein trauriges Ende. Und so ist plötzlich doch wieder Kipchoge in der Favoritenrolle.
Erstmals Olympia-Hattrick?
Eliud Kipchoge könnte in Paris mit seinem dritten Olympiasieg in Serie historisches gelingen. Denn er wäre dann der erste Läufer in der Geschichte des Laufsports, welcher das Olympia-Triple über die Marathon-Distanz vollendet. Bisher gab es ohnehin erst drei Marathonläufer mit zwei Olympia-Titeln. Vor Kipchoge gelang dieses Kunststück nur dem Äthiopier Abebe Bikila (1960 und 1964) sowie dem Deutschen Waldemar Cierpinski (1976 und 1980). Bikila versuchte sich 1968 an dem Olympia-Hattrick, er gab aber früh im Rennen aufgrund eines Ermüdungsbruches auf. Cierpinski trat erst gar nicht zu einem weiteren Olympia-Marathon an.
Kipchoge wird wohl weder Cierpinskis Schicksal drohen noch das von Bikila. Auch wenn Kipchoge bisher noch nicht fix nominiert wurde, kann der ehemalige Marathon-Weltrekorder mit einem Startplatz beim Olympia-Marathon am 11. August 2024 rechnen. Eine vorzeitige Aufgabe ist ebenso unwahrscheinlich. Denn bisher gab Kipchoge noch keinen seiner mehr als 20 Marathons auf.
Die großen Fragezeichen hinter Kipchoge?
Zwei Mal lief Kipchoge in seiner Karriere Marathon-Weltrekorde: 2018 gelang ihm in Berlin als ersten Läufer der Welt mit 2:01:39 Stunden eine Marathon-Zeit unter 2:02 Stunden, vier Jahre später verbesserte er den Weltrekord auf 2:01:09 Stunden, ehe im Jahr 2023 Kiptum mit 2:00:35 Stunden Kipchoges Weltrekord brach.
Zudem gelang Kipchoge im Jahr 2019 bei der nicht-rekordtauglichen INEOS 1:59 Challenge mit 1:59:40 Stunden als erstem und bisher einzigen Läufer der Welt eine Marathonleistung unter zwei Stunden.
Kipchoge erreichte nur bei vier seiner mehr als 20 Marathons nicht als Sieger das Ziel, drei Mal verpasste er das Podest. Doch bei zwei seiner drei letzten Marathon-Teilnahmen war Kipchoge chancenlos. 2023 erreichte er beim Boston-Marathon nach nur 2:09:23 Stunden als Sechster das Ziel. Es war der langsamste Marathonlauf in seiner gesamten Karriere. Im März 2024 belegte er in Tokio nach 2:06:50 Stunden nur den 10. Platz – seine bisher schwächste Marathon-Platzierung. Zwischen diesen zwei Marathons feierte er beim Berlin-Marathon nach 2:02:42 Stunden seinen fünften Berlin-Sieg in Serie. Diese Zeit sollte auch einen Start im unfassbar starken Team Kenias rechtfertigen, auch wenn nur drei Startplätze pro Nation zur Verfügung stehen.
Der möglicherweise entscheidende Vorteil für Kipchoge
Was definitiv für Kipchoge spricht: Der Äthiopier liebt milde Temperaturen. Bei seinen schwachen Marathon-Leistungen 2020 in London (8. Platz) und 2023 in Boston (6. Platz) wurden die Läufer u.a. von Regen und kühlen Temperaturen begleitet, auch 2024 in Tokio hatte Kipchoge kein für ihn optimales Wetter.
Ein Marathon mitten im Sommer hingegen liegt Kipchoge äußerst gut. Das stellte er auch bei den bisherigen Olympia-Marathons 2016 in Rio de Janeiro und 2021 in Sapporo eindrucksvoll unter Beweis. Beide "Hitze-Rennen" gewann er überlegen.
Die härtesten Konkurrenten von Kipchoge
Ein Großteil der starken Nationen hat ihre Athleten für den Marathonlauf noch nicht endgültig nominiert.
Starke Konkurrenz muss Kipchoge aber vor allem aus dem eigenen Lager fürchten. So etwa durch Benson Kipruto, der mit einer Marathon-Bestzeit von 2:02:16 Stunden der fünftschnellste Marathonläufer aller Zeiten ist und über die Marathon-Distanz als sicherer Podestläufer gilt. 2024 triumphierte er mit neuer Bestzeit in Tokio, 2023 belegte er in Boston Rang 3 und in Chicago Platz 2. 2022 schaffte er es in Boston ebenfalls als Dritter auf das Podest, ehe er in Chicago sogar triumphierte. 2021 gewann er die Marathons in Boston und Prag.
Interessanter Nebenfakt: Bei Kipchoges letzten drei Marathon-Niederlagen war Kipruto immer vor Kipchoge platziert. Im direkten Marathon-Duell mit Kipchoge führt er mit 3:0.
Offen ist der dritte Startplatz in Kenias Team. Es könnten dies u.a. Timothy Kiplagat (PB: 2:02:55 Stunden), Alexander Mutiso Munyao (PB: 2:03:11 Stunden) oder Vincent Kipkemoi (PB: 2:03:11 Stunden) sein.
Zwei heiße Eisen aus Äthiopien und Tansania
Das „Road to Paris“ Ranking führt mit Sisay Lemma ein Läufer aus Äthiopien an. Er lief im Qualifikationszeitraum eine Zeit von 2:01:48 Stunden. Die gelang dem 33-Jährigen im Dezember 2023 in Valencia. Lemma ist allerdings ein unberechenbarer Läufer. In seiner Vita stehen zahlreiche Aufgaben, wie etwa 2023 in Tokio, 2022 in Boston und 2021 beim Olympia-Marathon in Sapporo. Neben Valencia gewann er aber auch u.a. schon den Marathon in London (2021).
Überraschen könnte zudem Gabriel Gerald Geay aus Tansania. Denn der 26-Jährige ist mit einer Zeit von 2:03:00 Stunden auf Platz 5 im "Road to Paris Ranking" gereiht. Diese Bestzeit gelang ihm 2022 in Valencia (2. Platz). 2023 belegte er zudem beim Boston Marathon den 2. Rang. Möglicherweise könnte ihm ausgerechnet beim Olympia-Marathon der erste große Marathonsieg gelingen.
Weitere Medaillenkandidaten sind der Belgier Bashir Abdi (Olympia-Dritter 2021 und mit 2:03:36 Stunden Europarekordhalter), der Franzose Morhad Amdouni (PB: 2:03:47 Stunden) und der Niederländer Abdi Nageeye (Olympia-Zweiter 2021).
Olympia-Marathon der Frauen: Die Favoritinnen
Auch bei den Frauen haben die stärksten Nationen Kenia und Äthiopien noch nicht ihre drei Starter nominiert.
Die Weltrekordhalterin auf Siegeszug
Haushohe Favoritin ist Tigist Assefa. Die Äthiopierin verbesserte im Herbst 2023 den bisherigen Marathon-Weltrekord um mehrere Minuten auf 2:11:53 Stunden. Seit April 2022 ist die 27-Jährige zudem bei allen internationalen Rennen ungeschlagen geblieben (zwei Marathonsiege, drei Halbmarathonsiege, drei 10 km-Siege).
Was macht Sifan Hassan?
Auch die zweitbeste Marathonläuferin aller Zeiten wird voraussichtlich in Paris über die Marathon-Distanz starten. 2021 trat die Niederländerin Sifan Hassan bei den Olympischen Spielen gar über drei Distanzen an. Damals verpasste sie mit Gold über die 5.000 Meter und 10.000 Meter sowie Bronze über die 1.500 Meter nur knapp einen historischen Hattrick.
Auch in Paris erwägt die 31-Jährige möglicherweise mehrere Starts. Über die Marathon-Distanz gab Sifan Hassan erst 2023 ihr Comeback. Damals gewann sie in London, ehe sie in Chicago mit 2:13:44 Stunden zur zweitschnellsten Läuferin weltweit wurde. Ihre erste Marathon-Niederlage kassierte sie in diesem Jahr in Tokio, als sie nach 2:18:05 Stunden Platz 4 belegte.
Die Qual der Wahl
Weitere Medaillenanwärter gibt es vor allem in den Teams aus Kenia und Äthiopien. Unfassbar stark ist die Konkurrenz in Äthiopiens Team. Im "Road to Paris Ranking" sind Amane Beriso Shankule (2:14:58 Stunden), Worknesh Degefa (2:15:51 Stunden), Sutume Asefa Kebede (2:16:07 Stunden), Almaz Ayana (2:16:22 Stunden) und Letesenbet Gidey (2:16:49 Stunden) allesamt in den Top 10. Doch nur zwei dieser Läuferinnen dürfen neben Assefa ihre Reise nach Paris antreten.
Zahlreiche Fragezeichen bei Kenia
Kenias Team kann u.a. auf Ruth Chepngetich hoffen, die mit 2:14:48 Stunden die viertschnellste Marathonläuferin aller Zeiten ist und 2019 Marathon-Weltmeisterin wurde.
Ob die Olympia-Zweite und Ex-Marathonweltrekordhalterin Brigid Kosgei überhaupt den Sprung in Kenias Team schafft, ist hingegen noch offen. Denn die hat nur eine Zeit von 2:19:15 Stunden im Qualifikationszeitraum umgesetzt.
Selbiges gilt auch für Olympia-Siegerin Peres Jepchirchir. Die 30-Jährige wurde letztes Jahr im Frühling in London nach 2:18:38 Stunden „nur“ Dritte und hat seitdem keinen Marathon mehr bestritten.
Marathonläufer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bei den Olympischen Spielen 2024
Deutschlands Marathon-Team steht bereits fest. Bei den Männern treten Rekordhalter Amanal Petros (2:04:58 Stunden), Samuel Fitwi Sibhatu (2:06:27 Stunden) und Europameister Richard Ringer (2:07:05 Stunden) an. Das Frauen-Team ist durch Melat Kejeta (2:21:47 Stunden), Domenika Mayer (2:23:47 Stunden) und Laura Hottenrott (2:24:32 Stunden) vertreten. Petros und Kejeta sind Kandidaten auf Spitzenplätze.
Für die Schweiz haben sich der 41-jährige Rekordhalter Tadesse Abraham (2:05:01 Stunden) und Rekordhalterin Fabienne Schlumpf (2:24:30 Stunden) qualifiziert. Österreichs einziger Beitrag ist Rekordhalterin Julia Mayer (2:26:43 Stunden).
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