Jag gratulerar staden till dess 400-årsdag: Mit zweijähriger Verspätung hat Göteborg, zweitgrößte Stadt Schwedens, vom 2. Juni bis 3. September in diesem Jahr seinen 400. Geburtstag wegen der Pandemie nachgefeiert.

Für dieses große Ereignis fanden den ganzen Sommer über Konzerte, Ausstellungen, Festivals, und dgl. mehr statt  – krönender Abschluss am letzten Tag sollte eine streckenmäßige Verdopplung des dortigen klassischen Halbmarathons im Monat Mai sein, also erstmals ein eigener großer Stadtmarathon in Göteborg über die Bühne gehen.

Kurzfristige Anmeldung meinerseits

Wie (fast) immer entschließe ich mich auch diesmal  erst eine knappe Woche vor dem Laufereignis in der mittlerweile 600.000 Einwohner zählenden, an der Westküste Schwedens gelegenen, von Kanälen durchzogenen „pittoresk stad“ beim Marathon zu starten. Einen Link dazu finde ich auf der mit 400.000 Aufrufen vielbesuchten Informations- und Serviceplattform planet-marathon.de von meinem Lauffreund Franz Schwengler aus Nürnberg. Wohl wegen des 400-Jahre-Stadtjubiläums – 1621 verlieh König Gustav II. Adolf Göteborg seine Stadtprivilegien – soll die äußerst großzügige Öffnungszeit von mehr als 6 ½ Stunden (je nachdem, in welchen Startblock man sich postiert) viele Marathontouristen aus dem Ausland anlocken. Inzwischen gehöre ich ja auch zu dieser Spezies, deren Finisherzeiten vielfach jenseits sportlicher Erfolge zu werten sind. Aber  ich zähle nach wie vor meine Läufe und nähere mich ohne die Einrechnung einiger, in der DUV aufscheinenden Ultramarathons über 50 km, bald dem 450. Finish.https://vg06.met.vgwort.de/na/7b2513ff40964a18b51bb3574829c70d

Göteborgsvarvet Marathon

Die mit Engagement und Begeisterung gestaltete Veranstalter-Website (in Schwedisch und Englisch) ist sehr informativ, übersichtlich und die bunten Abbildungen und Karten machen richtig Appetit auf den Marathon. Das Startgeld ist mit 1200 SEK (ca. 100 Euro) festgesetzt, für heutige Verhältnisse in den „reicheren“  Ländern mit einem inkludierten Finishershirt durchaus moderat. Und das Foto der von Carolina Claesson, Professorin an der Universität Göteborg und Lehrende an der Kunstakademie gestalteten Medaille, erinnert mich an die edlen, mit einem hohen Messinganteil ausgegebenen, „gewichtigen“ Erinnerungsplaketten bei früheren Rommarathons.

Als ich am 18. März 2012 dort meinen 100. Marathons  absolvierte, wurde mein Sammlererfolg durch die vom Architekten Maestro Alfiero  Nena designte Medaille unter dem Leitspruch „Vinciamo ogni discriminazione“  (Überwinden wir die Diskriminierung) durch deren hohe Wertigkeit quasi bestätigt. Apropos Marathonsammeln: Ich habe damals noch nichts von aufkommenden Serien-Privatmarathons etwa in Deutschland, Großbritannien und Japan gewusst, bei denen sich die Kollegen oft kein Zeitlimit setzen, sondern bin zu vielen Laufbewerben ins europäische Ausland und nach Übersee gereist, um meine Statistik zu erweitern.

Göteborgsvarvet Marathon

Ungewollter Stress bei der Anreise

Je später man Flüge bucht, desto teurer werden diese – das nehme ich halt immer in Kauf, weil es mich flexibler macht. Mit 429 Euro für  einen erweiterten (umbuchbaren) Economy-Tarif mit der AUA von Wien nach München (ab 6:30 Uhr am Vortag des Marathons) und dann mit der Lufthansa weiter nach Göteborg sowie ab Montag am Nachmittag über Frankfurt  zurück,  bekomme ich dann doch  preislich vertretbare Tickets.  Aber als die Abflugzeiten in München 3x verschoben werden und der Flieger nach Göteborg erst um 10 Uhr 45 starten soll, kommt Hektik auf. Hunderte Passagiere, die von Neben-Gates zum Gate 20 hindrängen, verstellen die Sicht auf das Display. Auf den großen Abfluganzeigen wird nie auf eine Boarding-Time meines Fluges verwiesen, es erfolgt auch keine Durchsage. Als ich dann um 10 Uhr 43 sehr nahe beim Einstiegsgate kurz auf die Toilette gehe, in der Annahme, dass es eine weitere Verzögerung geben würde, ist nach 3 Minuten die Sicht frei – alle wartenden Passagiere sind wie vom Erdboden verschwunden. Und das Gate geschlossen.  Keine Durchsage davor – wohl zu einem Flug nach Frankfurt, aber nicht nach Göteborg, kein Namensaufruf, gar nichts. Meine Erkenntnis daraus: Ich hätte mich einfach durch die (vielfach auf andere Flüge wartende Menge) durchdrängen sollen, auch wenn ich dabei die eine oder andere Person gestreift hätte, diese Art der Höflichkeit werde ich mir definitiv abgewöhnen.  Aber das Pech (Missgeschick und meine Annahme, dass bei der Lufthansa die Logistik immer eingehalten wird: kein Abflug ohne Boarding-Anzeige und bei Fehlen eines Passagiers dessen Aufruf per Lautsprecherdurchsage) verwandelt sich alsbald in Glück: Im Service-Center der Laufhansa gelingt es mir, nach einer längeren Wartezeit und einigen Debatten auf dem Kulanzwege mit Aufzahlung von nur 134 Euro den 16 Uhr-Flug nach Göteborg zu bekommen.

Göteborgsvarvet Marathon

Franz Schwengler wird zum Retter in der Not

Ich rufe die Website auf, um nachzulesen, wie lange man die Startnummer abholen kann. Am Samstag nur bis 18 Uhr, steht in der englischen Übersetzung. Im schwedischen, etwas ausführlicheren Text, wird ergänzt, dass man auch am Renntag von 8-10 Uhr im „Friidrottens Hus“, nahe beim Start- und Zielbereich in Slottskogen (ein bewaldetes Erholungsgebiet für die Einheimischen) abholen könne. Doch es könnte am Sonntag zu knapp werden,  weil das Zentrum von Göteborg doch gut 3-4 km entfernt ist. Ich rufe die Organisation an, am Samstag hebt aber niemand ab. Ein Mail zu schreiben, würde kaum etwas bringen – ich denke an einen Botendienst ins Hotel. Da erscheint es einfacher, meinen Lauffreund Franz per Smartphone zu kontaktieren. Kaum habe ich die message abgeschickt, kommt schon dessen Rückmeldung. Ich übermittle ihm die Bestätigung der Anmeldung, die einen QR-Code enthält. Noch vor meinem Abflug – Franz Schwengler ist am frühen Nachmittag in Göteborg gelandet – übermittelt er mir per WhatsApp ein Foto meiner Startnummer 11526, die man ihm „problemlos ausgehändigt habe“ – wie er schreibt. „Tack så mycket, jag står i din skuld“, könnte ich nun auf Schwedisch antworten. Auch nach fast 50 Jahren sind meine Sprachkenntnisse erhalten geblieben. Als Student habe ich Mitte der 1970er-Jahre in Schweden (Göteborg und Stockholm) als Beifahrer und Möbelpacker bei Kungsholmen Expressen in den Sommermonaten gearbeitet und dort sehr gut verdient. In einem Vorort von Göteborg namens Partille habe ich einige Zeitlang im Haus der Eltern einer Freundin gewohnt und vor Reisebeginn an diese Zeit gedacht und mich gefragt, wie es der Familie Söderpalm wohl gehe.

Göteborgsvarvet Marathon

Der Lufthansa-Abflug  erfolgt erneut verspätet, erst gegen 18 Uhr 20 landet der Airbus A321/200 in Göteborg/Landvetter. Mit dem Flughafenbus gelange ich um 139 SEK (ca. 11 Euro) ins Zentrum und steige bei der Körgatan aus. Zum Hotel Lorensberg sind es nur 200 m, das ich für 2 Nächte (220 Euro inkl. Frühstück) gebucht habe. Mit Franz Schwengler nehme ich von dort aus umgehend Kontakt auf – wir vereinbaren ein Meeting bei seinem Hotel, das allerdings an die 3 km weiter nördlich beim Hafen liegt. Es dauert dann seine Zeit, bis wir uns treffen, in der Dunkelheit ist es schwieriger, die Anzeigen am Smartphone-Display mit den realen Straßenbezeichnungen abzugleichen. Er kommt mir entgegen, um ca. 21 Uhr 30 sitzen wir dann endlich in einem Schnitzelrestaurant und plauschen über unser Läuferleben. Kurz vor 23 Uhr schaue ich beim Coop vorbei, um noch einige Kleinigkeiten an Essensvorräten zu besorgen. Wir vereinbaren, uns morgen am Renntag ev. für ein Gemeinschaftsfoto für John Wallace, Präsident des Country Marathon Clubs,  zu treffen. Einzelfotos nimmt er nicht an, auch für Franz ist Schweden kein neues Land, aber wie für mich eine neue Lokation (manche führen auch für die Marathonorte eine Statistik an).

Ein bequemer Renntag mit einem dicken Zeitpolster

Göteborgsvarvet Marathon

Bereits um 7 Uhr betrete ich den Frühstücksraum des Hotels, wo schon andere Marathonteilnehmer sitzen.  Ich möchte mir viel Zeit nehmen, um das Buffet ausgiebig genießen zu können. Der Göteborgvarvet Marathon (varvet = die Runde) auf 2 leicht verschiedenen Runden gleicher Entfernung wird (erst) wie jener in Stockholm (habe dort  im Jahre 2002 in 4:46 gefinisht, dabei die welligen Abschnitte sowie die Junihitze unterschätzt und so wegen Ermattung viel Zeit verloren) um 11 Uhr gestartet. Gegen 9 Uhr 30 nehme ich die Straßenbahn Nr. 8 nach Frölunda und steige nach 6 Stationen beim Botaniska Trädgården aus. Der bei Ausflüglern, Naturfreunden und Freizeitsportlern beliebte Park  Slottsskogen, die „grüne Lunge der Stadt“, hat eine Fläche von 137 ha. Im Nordostbereich gehört das Naturhistorische Museum zum Park und weiter südlich liegt der Botanische Garten Göteborgs . Mir bleiben ca. 1 ½ Stunden bis zum Start, ich spaziere durch den Park und verfolge en passant die letzten Aufbauarbeiten im Startgelände. Die Wiese umliegend ist nass, die Temperaturen sind in Göteborg um 10 Grad C „tiefer“ als in Wien um diese Jahreszeit. Die Nässe kommt vom schon spätsommerlichen Morgentau. Zwar ist Bewölkung angesagt, aber es soll niederschlagsfrei bleiben.

 

Göteborgsvarvet Marathon

Schweden ist wirklich (etwas) anders – bei Marathons sieht man sonst nur mobile Dixiklos für Männer und Frauen gleichsam benutzbar. Eine Novität für mich sind eigene Damen-WCs in rosa, die oben offen sind. In der Regel wird niemand die Abläufe beobachten, aber es ist doch etwas komisch, wenn so mancher Frauenkopf, ja sogar ein Teil des weiblichen Oberkörpers, aus dem PVC-Corpus darüber ragt. Ich sehe, wie offenkundig ein Witzbold in Richtung der Klos winkt, vielleicht will er aber nur seiner Begleiterin auf diese Weise vorweg alles Beste für den Marathon wünschen.

Ich halte nach Franz Schwengler Ausschau, spaziere zweimal  an den über 20 Startblöcken entlang. Sollte meine Startnummer 11526 die Anzahl der gemeldeten Teilnehmer anzeigen, dann wäre dieser Marathon in Europa größenmäßig weit nach vorne zu reihen. Auf einer großen Anzeigetafel ist die Marathonstrecke auf den zwei Runden überdimensional dargestellt. Auch die Steigungen sind in einem wellenartigen Verlauf abgebildet, wobei die Anstiege auf 2 Brücken ein Erschwerniskriterium sein könnten. Aber die ebenfalls angeführten Cut-off-Zeiten  sind  auch für Power-Walker erfüllbar.  Man kann sich nach eigenem Gutdünken in einen Block seiner Wahl stellen, wer weiter vorne steht, kommt früher zur Matte, die den Chip auf der Rückseite der Startnummer elektronisch erfasst. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im letzten Block bis 6:30 h nur eine Handvoll Starter postiert sind. So gehe ich davon aus, dass Franz ziemlich weit vorne stehen wird und sich so eine gute Position verschaffen will.

Göteborgsvarvet Marathon

Punkt 11 Uhr erfolgt der Start, ich stelle mich in den 4-h-Block, nur in meiner besten Zeit mit 48 Jahren 2002 (1 Jahr nach dem Beginn meiner Hobbymarathonläuferambitionen) war das angebracht etwa mit Schlusszeiten in Florenz (4:05), Linz (3:59), Regensburg oder Wien mit 4:03. Bekanntlich heiligt der Zweck die Mittel, ich bin ja nicht der Einzige, der sich unverschämt weit vorne eingereiht hat. Die Quittung bekomme ich rasch: Es gibt auf den ersten Kilometern scheinbar niemanden, der oder die mich nicht überholt. Sogar ein Mann, auf dessen Laufshirt hinten ein weißer Zettel mit der Aufschrift M-75 befestigt ist, zieht hinkend an mir vorbei.  

Göteborgsvarvet Marathon

Ich blicke auf meine Garmin GPS-Uhr, unter 8 min/km komme ich nicht, obwohl  der nicht abgefahrene  Asphalt der Straßenbahntrasse  ein idealer Untergrund ist, auf dem man sich gut abstoßen kann. Wann werde ich wieder wenigstens 1-2x die Woche im Prater auf der Hauptallee laufen trainieren können?  Es fehlt mir ganz einfach das Tempo, so kann man keinen Vorsprung auf der Halbdistanz herausholen, schon mit 2:45 h für die erste Runde kann man sub 6 h finishen. So drängen Hunderte nach, überholen mich locker, während ich mit meinen Kräften bewusst Haus halte.

Zum E-Book Trainingspläne für Läufer und Läuferinnen

Göteborgsvarvet Marathon

Die Strecke führt nach Osten, wir erreichen Haga, wegen seiner pittoresken Holzhäuser und Cafés im Stil des 19. Jahrhunderts für Einheimische und Touristen ein beliebtes und bekanntes Stadtviertel in Göteborg.  Doch die kopfsteingepflasterten Straßen tun meinen maroden Füßen nicht gut, ich reduziere das Lauftempo und vermeide ein Stolpern auf den vorstehenden Steinen.  Nach ca. 3,5 km erreichen wir eine Wasserstelle, wegen der Bewölkung ist die Lufttemperatur um 12 Uhr noch angenehm, allerdings hätte ich mir statt des Longsleeve ein kurzärmeliges Shirt anziehen soll.

Göteborgsvarvet Marathon

Bald darauf dreht der Kurs um 90 Grad nach Süden, auf der anderen Seite der ansteigenden Straße, getrennt durch Sperrbänder, kommen uns die voranliegenden Läufer in Scharen entgegen, darunter die 4:45er Pacemaker mit ihrem Anhang. Es geht am 1935 erbauten Konserthuset vorbei, ein Orchester spielt am Götaplatsen, wo sich die erste Wasserstelle befindet, auf. Als ich die vielen nachkommenden Läufer nach der Wende erblicke, kommt Optimismus auf, weil doch noch viele hinter mir sind. Der abfallende Kurs beflügelt außerdem, die 5-Kilometeranzeige (auf einer gelben Tafel) erreiche ich nach auf der Uhr angezeigten 42 min Laufzeit.  Wie schön wäre es, wieder einmal eine 8er-Zeit durchzuhalten!

Der Marathonkurs verläuft nach Norden, es geht zum Hafen hinunter, erneut bildet Kopfsteinpflaster einen zeitweiligen Untergrund. Nach dem Passieren des Opernhauses – zwei Sängerinnen auf einer überdachten Bühne tragen wechselweise Ausschnitte aus klassischen Arien und Balladen vor, die beflügeln. Der Anstieg auf die Hisingsbron, eine 2022 eröffnete Hubbrücke, die  bis zu 28 m angehoben werden kann, verbindet die Stadtteile Hisingen auf der gleichnamigen Insel und Norra Älvstranden auf der nördlichen mit Södra Älvstranden auf der südlichen Seite des Flusses Göta,  erfolgt nach Kilometer 7. Am höchsten Punkt erblicke ich eine 30 km-Markierung mit Messmatte am Boden, die allerdings erst für die 2. Runde Relevanz haben wird. Jedoch wird die Durchgangszeit auch auf der ersten Runde gemessen – ich liege noch unter 60 Minuten.

Göteborgsvarvet Marathon

Ich versuche auf der Abwärtspassage der Brücke etwas Tempo zu machen und komme auf eine 7er-Zeit. Der Kurs verläuft nun vorbei an Frihamnen, ein neuer Stadtteil am Waser, der in naher Zukunft nachhaltiges Wohnen und Leben in Göteborg bieten soll, nach Westen bis zur nächsten Versorgungsstelle, wo neben Wasser, Iso auch Chiquita-Bananenstücke angeboten werden, die junge Helferinnen bewusst hygienisch in Handschuhen anbieten und überreichen.  8 ½ Kilometer sind gelaufen, werde ich den Zehner in angestrebten 120 Minuten schaffen oder wenigstens nur knapp drüber sein?

Göteborgsvarvet Marathon

Im Stadtteil Lundby stehen viele Zuschauer, die die Läufer anfeuern – dank der Aufschrift auf der Startnummer dies bei der Nennung des Vornamens. Die Blicke und Zurufe, die ich bekomme, sind ehrlich gemeint, auch Anerkennung (auf der ersten Runde) hört man heraus. In den 22 Jahren meines Läuferdaseins habe ich noch nie bei einem Marathon oder sonst wo von lauter attraktiven Frauen, durchwegs selbst sportlichen Männern und Kindern sowie Jugendlichen so viel persönlich gemeinten Zuspruch vernommen,  anderswo wird man als langsamer Läufer  manchmal sogar ausgelacht. Die 10 km schaffe ich ihn 1:23 h, noch passt alles auf die angepeilte sub 6 h Finisherzeit.

Göteborgsvarvet Marathon

Die nächstfolgende Versorgung befindet sich bei Kilometer 11, 8 am Västra Sannegårdskajen, wo Schokoladekugeln ausgegeben werden – ich nehme eine, sie ist so süß, dass ich zwei Becher Wasser zum Nachspülen benötige, um die im Mund pickenden Reste in den Magen zu befördern.  Am Fluss Göta geht es weiter nach Westen, viele laufen unter einer Sprühdusche durch, um sich abzukühlen. Die Sonne ist teilweise durchgekommen, mein Langarmleibchen mit dem Windbreaker ist total unpassend für die Außentemperatur, aber ausziehen und verstauen kann ich beides ja nicht, mit entblößten Oberkörper zu laufen ist meine Sache nicht.

Hinter uns kommt ein Motorrad nach, der Fahrer ersucht auf Schwedisch, dass alle nach rechts auszuweichen, der Führende nähert sich. Es folgen in den nächsten Minuten weitere sehr schnelle Läufer, die wohl unter oder um 2:30 finishen werden.

Göteborgsvarvet Marathon

Von weiten sehen wir nun die große  Älvsborgsbron, die  1966 erbaut wurde. Sie weist eine Länge von 933 m,  eine Spannweite von 418 m und eine Durchfahrtshöhe von 45 m auf. Es handelt sich um eine Hängebrücke, die in der Hafeneinfahrt von Göteborg den Göta älv überquert.  Die sechs Fahrspuren hängen an zwei 107 m hohen Pylonen. Der steile Anstieg auf die Brücke beginnt bei Kilometer 14. Der Verkehr bleibt vom Laufgroßereignis unberührt, auf dem Gehweg geht es für uns auf die andere Seite der Brücke.

Göteborgsvarvet Marathon

Bisher sind wir bei diversen Musikgruppen vorbeigekommen, die für uns aufspielen.  Das Ensemble des Konzerthauses, zwei Opernsängerinnen, eine Countryband, sogar eine Volksmusikgruppe mit Harmonikern (Kungsälv Dragspels Klubb) hat für bisher musikalische Unterhaltung gesorgt. Die Strecke nach dem Verlassen der Brücke in Richtung Süden führt dann entlang von Baustellen, erneut kommt es hier zu Gegenverkehr. Statt Sperrgitter sind einfache rot-weiße Bänder gespannt, die die Läufer in der Begegnungszone trennen.  Aber in der Knautschzone müssen auch die hinter uns nachkommenden, sich bereits in der Schlussrunde befindlichen Läufer  Platz finden, mancher ruft uns Langsamen zu, dass wir ausweichen sollen. Die Strecke, die zum Slottskogen bzw. dem Zielbereich zurückführt, ist leicht ansteigend, daher verliert man automatisch etwas Zeit. Auf der anderen Seite der Strecke erblicke ich den Franz, er ist bereits in der 2. Runde und knipst mich im Stehen bei der 22 km-Anzeige. Ich mache dasselbe, wir werden die Fotos einfach austauschen. Mal sehen, welches mehr Aussagekraft hat. Eines steht aber fest: Franz hat einen sehr guten Start erwischt und liegt ca. 4 km vor mir.

Göteborgsvarvet Marathon

Oben angekommen, erfolgt eine Teilung des Kurses – in die 2. Runde geht es bei Kilometer 18,5 nach links, die anderen biegen bei erreichten Kilometer 41, 2 nach rechts ins Ziel ab. Bei der Versorgungsstelle werden auch Gurkenstücke ausgegeben.  Das scheint eine Tradition in Schweden zu sein, denn schon vor 20 Jahren wurden beim Stockholm Marathon auch saure Gurken aufgelegt. Nun geht es auch für mich endlich in die 2. Runde, aber noch sind es 2 ½ km bis zum Erreichen des Halbmarathons. Leider liege ich um einige Minuten über den 3 Stunden. Als wir Nachzügler die große Schleife in Slottskogen vollzogen haben, bin ich überrascht, dass der Versorgungsstand mit dem Abräumen begonnen hat. Das will heißen, dass offenbar hinter uns niemand mehr nachkommt oder viele vielleicht aufgegeben haben. Die Cut-off-Zeit  liegt bei 14 Uhr 45, also bei max. 3 h 15 Minuten für den Halben. Wer also den Fehler gemacht hat und in der hintersten Gruppe gemäß seinem Leistungsvermögen gestartet ist, könnte sich verplant und wegen der Steigungen auch verrechnet haben. Das ist für mich nun ein Fingerzeig, mehr Kraft in die zweite Runde zu investieren und nach Möglichkeit Zeit gut zu machen.

Göteborgsvarvet Marathon

Ich gebe mir Mühe, auf der Abwärtspassage erneut mit vielen Entgegenkommenden auf der anderen Straßenseite den einen oder anderen zu überholen. Es kommt zu kleinen Kämpfen um die Position, die ich mit Hartnäckigkeit alle für mich entscheide. Der Marathonskurs führt nun entlang des Flusses Göta durch Hafengebiet – die Gegend ist eher wenig einladend, aber bald ist die 25 km-Marke zu sehen. Meine Uhr zeigt 3:45 h an, sollte ich die 30 km in 4:15 h schaffen, ist eine Finisherzeit unter 6 Stunden noch möglich. Immer wieder lasse ich mich auf kleine Positionskämpfe ein, gebe nicht nach und frustriere so eher die Konkurrenten, die alle die erste Runde über ihre Verhältnisse zurückgelegt haben.

Göteborgsvarvet Marathon

Noch vor Kilometer 29 kommen wir Nachzügler – es sind gar nicht so wenige, wenn ich mich umdrehe – wieder zur Hisingsbron, wo am höchsten Punkt die elektronische Anzeige die bisher verstrichene Zeit am Display anzeigt. Ich liege wegen der Startposition im Mittelfeld (4-4:15 h Zielzeit) 20 Minuten darunter, habe also ein passables zeitliches Guthaben bei Kilometer 30 für die noch zu passierenden Cut-offs. Eine Kollegin will mich mit allen Mitteln überholen, doch ich besinne mich, dass ich früher ein sehr guter Abwärtsläufer  und bei Bergmarathons  oft mit 4er-Zeiten unterwegs war. Ich lasse sie „stehen“ bzw. hinter mir, auch alle anderen, die sich im Abwärtstrab auf der Brücke befinden.

Göteborgsvarvet Marathon

Nun ist die Marathonstrecke völlig ident mit der ersten Runde, allerdings sind die vielen Zuschauer nach 4 ½ Stunden verschwunden. Als ich in die Nähe des Västra Sannegårdskajen komme, ungefähr bei Kilometer 34, erblicke ich in der Ferne, ca. einen Kilometer entfernt, unseren Parademarathonsammler Karl Alfred Erber, der wieder mit seinem rosa Trikot mit der Nummer 33 am Rücken, die einer gewissen Sportlerin namens Olsen zugeordnet ist, unterwegs ist. Ich nehme mir vor, ihn als Ankerpunkt zu wählen und an ihn dran zu bleiben. Das gelingt, ich komme bis Kilometer 37 an ihn heran und auf der Älfsborgbrücke dann an ihn vorbei  – die Abwärtspassage eignet sich gut, um einen kleinen Vorsprung herauszuholen. Aber weil es aufwärts geht, liege ich bei angezeigten 41,2 km schon bei 6:10 h, erst nach weiteren 11 Minuten komme ich auf der Leichtathletikbahn (Slottsskogvallen) dann ins Ziel.

Göteborgsvarvet Marathon

Neben einer schönen Medaille, die an die 400-Jahresfeier der Stadt erinnern soll, bekommen alle Finisher auch ein Funktionsshirt in schwarz. Als ich es anprobiere und von bestelltem XL auf L umtausche, stört mich die übergroße aufgebügelte Werbeaufschrift „Bauhaus“ – das Leiberl werde ich nur zum Grasmähen anziehen.

Göteborgsvarvet Marathon

Bis ich zur Massage an die Reihe komme, warte ich fast eine Stunde, aber die Unterhaltung mit einigen jungen Läuferinnen, die ich am Schluss überholen konnte, ist nett. Ein integrierter, Schwedisch sprechender  Somalier kommt her und sagt, ich habe ihn inspiriert durchzuhalten. Ein gebürtiger Pakistani gesteht mir unaufgefordert, dass er mit 28 Jahren  den Marathon fast nicht geschafft habe, wie alt ich sei und er bezweifle, dass er so eine Leistung (auch im langsamen Tempo) sich im Alter nie zutrauen würde.

Göteborgsvarvet Marathon

Nach der Massage fühle ich mich gut und nehme knapp vor der einbrechenden Dunkelheit wieder Tram 8 und fahre ins Hotel zurück. Bald darauf wird per E-Mail-Aussendung auch das Laufergebnis bestätigt. Göteborg hat sich gelohnt, ein weiterer Marathon zur Erweiterung der eigenen Statistik ist unter Dach und Fach.

Kurzes Schlusswort

Ich bin überzeugt, dass dieser Lauf bestehen bleiben wird. Zwar war bisher der 20.000 Teilnehmer umfassende Halbmarathon im Frühling das Zugpferd für die Hotellerie mit all der Umwegrentabilität, aber jeder Läufer wird bestätigen, dass die Organisation des Göteborgsvarvet Marathon nahezu perfekt war. Besser kann man es nicht machen: Eine überaus großzügige Öffnungszeit mit Cut-offs, die fast jeder auch im schnellen Gehen schaffen kann, ein Kurs, der vor allem auf der ersten Runde durch Innenstadtgebiet geführt hat, zwei Brücken, die von oben eine schöne Aussicht auf weite Teile von Göteborg bieten, begeisterte Zuseher, die die Läufer anfeuerten, Labestellen mit eifrigen jugendlichen Helfern, die nie einen Engpass an Wasser, Iso und Bananen aufwiesen und nicht zuletzt ein internationales Läuferfeld, bei dem man auch den einen oder anderen Kollegen wiedersehen konnte.  Ich werde die Umfrage auf Schwedisch mit der Bestnote beantworten. Die Werbeaufschrift des Finishershirts mag andere nicht stören, ich werde das Leibchen aber nicht tragen.

Göteborgsvarvet Marathon

Sieger bei den Männern:

1.Rosdal, Linus (SWE) – 02:19:56

2.Yassin, Nuray (SWE) – 02:28:51

3. Bäckström, Richard (SWE) – 02:29:32

Reihung bei den Frauen:

1.Lindholm, Hanna (SWE) – 02:43:30

2.Nelson Rask, Sofie (SWE) – 02:53:43

3.Gistedt, Linda (SWE) – 02:58:05

6252 Finisher (4558 Männer, 1694 Frauen)

Fotos: © Anton Reiter

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