Kelvin Kiptum beeindruckte am 8. Oktober 2023 die Leichtathletik-Welt, als er beim Chicago Marathon mit einer Zeit von 2:00:35 Stunden als erster Mensch die Marathondistanz in unter 2:01 Stunden zurücklegte.
Es fehlen also nur noch 36 Sekunden für die erste Marathonleistung unter zwei Stunden bei einem „offiziellen Wettkampf“. Doch wann genau soll dieser historische Akt gelingen und wer soll diese Leistung umsetzen?
Es gibt momentan wohl nur einen einzigen Läufer, der in naher Zukunft diese Schallmauer durchbrechen kann. Und das ist Kelvin Kiptum selbst. Nicht einmal Eliud Kipchoge ist das zuzutrauen, der 2019 in Wien mit 1:59:40 Stunden zwar schon eine Marathonzeit in unter zwei Stunden realisierte, damals allerdings unter nicht rekordtauglichen Bedingungen (Tempomacher, die immer wieder in das Rennen einstiegen; durchgehende Verpflegungsaufnahme möglich; kein offizieller Wettkampf).
Doch wann genau Kelvin Kiptum dieses historisches Kunststück gelingen mag und ob er es überhaupt vollbringen kann, ist ein Blick in die Glaskugel. Gut analysierte Bundesliga Tipps hätten in diesem Fall eine deutlich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als eine Prognose des exakten Zeitpunkts dieser Marathon-Schallmauer.
Erster Marathon unter 2 Stunden: 2024 unwahrscheinlich
Im Jahr 2024 finden die Olympischen Sommerspiele in Paris statt. Ein Olympiajahr ist generell kein gutes Jahr für Marathon-Weltrekorde. Denn der einzige Läufer, der in diesem Jahrtausend einen Marathon-Weltrekord in einem Olympiajahr aufstellte, war Äthiopiens Superstar Haile Gebreselassie. Der Äthiopier verzichtete allerdings im Jahr 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking auf einen Marathonstart und trat demnach einige Monate später gut erholt zum Berlin Marathon an, wo ihm mit 2:03:59 Stunden die erste Marathonzeit unter 2:04 Stunden gelang.
Ansonsten wurden die restlichen 15 Marathon-Weltrekorde bzw. Weltbestzeiten (Männer + Frauen) in diesem Jahrtausend allesamt in Jahren aufgestellt, an denen keine Olympischen Spiele stattfanden.
Wieso das Olympiajahr fast keine Marathon-Weltrekorde zulässt
Der Grund dafür ist einfach erklärt: Olympische Spiele haben für Läufer den höchsten Stellenwert. Das gilt auch für die schnellsten Marathonläufer der Welt. Da ein professioneller Marathonläufer zur zwei bzw. maximal drei Marathons pro Jahr absolviert, nehmen die Olympischen Spiele eine Möglichkeit für einen schnellen Marathon mit Weltrekordpotential.
Bei Olympischen Spielen selbst wird in der Regel nicht annähernd in die Nähe eines Weltrekordes gelaufen, was einerseits auf taktische Aspekte zurückzuführen ist, andererseits aufgrund des Termins zumeist durch ungünstige Wetterbedingungen ohnehin unmöglich gemacht wird.
Kelvin Kiptum lief im Dezember 2022 seinen ersten Marathon und ließ im Jahr 2023 in London und Berlin zwei weitere Marathons folgen. Demnach wird der Kenianer mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 2024 neben dem Olympia-Marathon nur einen weiteren Marathon absolvieren.
Weder vor noch nach dem Olympia-Marathon ist ein optimaler Zeitpunkt für historische Leistungen
Aufgrund des ungünstigen Termins im August (10. August 2024) hätte ein Herbst-Marathon etwa in Berlin oder Chicago eine zu geringe Vorbereitungszeit zwischen diesen zwei Marathons. Ein auf Anschlag gelaufener Frühjahrsmarathon hingegen könnte die Vorbereitung auf den Olympia-Marathon negativ beeinflussen oder die Verletzungsgefahr erhöhen.
Demnach sind die Chancen auf den ersten Marathon in unter zwei Stunden im Jahr 2024 gering, auch wenn Kiptum durchaus eine Zeit unter zwei Stunden zuzutrauen ist.
Es sei denn, Kiptum verzichtet auf eine Olympia-Teilnahme (was allerdings sehr unwahrscheinlich ist), dann könnte 2024 definitiv der erste Marathon unter zwei Stunden gelingen.
Faktor Zeit: Wie lange kann Kelvin Kiptum auf diesem Niveau trainieren?
Kelvin Kiptum hat einen gänzlich anderen Karriereweg als Eliud Kipchoge eingeschlagen. Der 23-jährige Kelvin Kiptum war vor seinen drei Marathonstarts fast gänzlich unbekannt und ohne große Erfolge. Der bald 39-jährige Eliud Kipchoge, der 2018 und 2022 Marathon-Weltrekorde aufstellte, ist hingegen mittlerweile schon seit zwei Jahrzehnten ein Weltstar. Lange Zeit trainierte Kipchoge auf kürzeren Distanzen und stieg erst 2013 zur Hälfte seiner Profi-Karriere auf den Marathon um.
Der Karriereweg von Kipchoge ist auf jeden Fall die „gesündere“ Variante. Ein kontinuierlicher Aufbau der Wettkampfdistanz und des Trainingsumfanges hatte bei Kipchoge fast immer Überlastungen und Verletzungen verhindert.
Wieso Kiptums Zeitfenster kurz ist
Kelvin Kiptum hingegen wählt einen unfassbar riskanten Weg, der mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer kurzen, wenn auch sehr erfolgreichen Karriere führt. Kiptum absolvierte in der Vorbereitung zum Chicago Marathon u.a. Trainings-Wochen mit rund 300 Kilometern. Das ist in Summe mehr als ein Marathon pro Tag. Eine Strategie, die wohl über kurz oder lang zu Überlastungen führt.
Zumindest war es in der Vergangenheit fast immer so, dass „junge Marathonsuperstars“ so schnell von der Bildfläche verschwanden, wie sie auch aufgetaucht waren. Man erinnere sich nur an Tsegaye Mekonnen, der 2014 in Dubai als völlig unbekannter Läufer bei seinem Debüt einen U20-Marathonweltrekord aufstellte und danach nie wieder an seine Marathon-Leistungen anknüpfen konnte.
Kiptum wird mit 30 Jahren kein Marathonläufer mehr sein
Wir sind uns ziemlich sicher, dass Kelvin Kiptum mit 30 Jahren nicht mehr ein Weltklasseläufer sein wird. Demnach sollte der Kenianer in den nächsten zwei bis drei Jahren versuchen, als erster Mensch der Welt bei einem offiziellen Marathonlauf die 2-Stundenmarke zu knacken.
Zuzutrauen wäre es ihm auf jeden Fall. Bei seinen zwei Marathons im Jahr 2023 in London und Chicago lief er jeweils die zweite Marathonhälfte in unter einer Stunde. Ein etwas schnellerer erster Marathonabschnitt könnte in naher Zukunft zur Vollendung dieses Kunststücks führen.
Wann dies so weit ist? 2025 wäre ein gutes Jahr. Entweder im Frühjahr in London oder im Herbst in Chicago oder Berlin.
Wer außer Kiptum kann noch einen Marathon in unter 2 Stunden laufen?
Gibt es sonst noch einem Läufer, dem in naher Zukunft eine Marathonleistung in unter zwei Stunden zuzutrauen ist?
Natürlich müssen wir da Eliud Kipchoge erwähnen, der als bisher einziger Mensch die 2-Stunden-Marke unter nicht-rekordtauglichen Bedingungen knackte. Doch aufgrund seines hohen Alters ist eine Steigerung seiner Bestzeit von 2:01:09 Stunden um über eine Minute sehr unrealistisch, zumal Kipchoge für 2024 auch den Fokus auf die Olympischen Spiele legt.
Läufer aus Uganda in der Lauerstellung
Ansonsten gibt es derzeit keine ernsthaften Kandidaten. Wohl auch nicht der Kenianer Evans Chebet. Der "Captain America" gewann zwar 2022 und auch 2023 jeweils die Marathons in Boston und New York. Seine Marathon-Bestzeit von 2:03:00 Stunden und sein Alter von 34 Jahren sprechen aber gegen einen hohen Leistungssprung.
Mögliche Kandidaten wären etwa Halbmarathon-Weltrekordhalter (57:31 Minuten) Jacob Kiplimo aus Uganda oder sein Landsmann Joshua Cheptegei, der die Weltrekorde über die 5.000 Meter und die 10.000 Meter. Beide haben sich bisher aber noch nicht an die Marathondistanz herangewagt. Realistische Einschätzungen sind demnach noch nicht möglich.
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