Der SC Marathon Plzeň unter der Leitung von Ing. Vlastimil Šroubek veranstaltet während des Kalenderjahres regelmäßig Laufbewerbe mit internationaler Beteiligung, die von der Kurzstrecke bis hin zur 100 km-Distanz reichen.
Besonders an der einwöchigen Zátopek Memorial Laufserie im Juli mit diversen Rennen haben inzwischen viele ausländische Teilnehmer/innen, auch aus der heimischen Marathon-Community, teilgenommen. Zum Jahresabschluss steht heuer noch ein Silvestermarathon auf dem Programm, für den ich mich kurzfristig anmelde.
Anreise nach Pilsen
Am Tag davor fahre ich mit dem Zug vom Franz Josef Bahnhof in Wien 9 mit einem sehr günstigen Bahnticket der České dráhy über České Velenice, České Budějovice in 5 ½ Stunden nach Plzeň. Wer länger als 24 Stunden in Tschechien bleibt, muss sich (auch 3-fach Geimpfte wie ich) auf der offiziellen Website registrieren (Příjezdový formulář). Über booking.com habe ich vor Reiseantritt zwei Nächte im Hotel Central am Platz der Republik (nám. Republiky) im Zentrum der 170. 000 Einwohner zählenden, viertgrößten Stadt Tschechiens gebucht – beim Einchecken ist neben dem Impfnachweis (Green Pass) auch ein max. 48 Stunden alter, negativer PCR-Test vorzuweisen. Ganz schön viel Aufwand für einen Kurzabstecher zu Silvester ins benachbarte Tschechien, wobei man ergänzen sollte, dass bspw. Nürnberg näher zu Pilsen ist als Wien, das über 420 km südöstlich liegt. Selbst mit dem Railjet fährt man mehr als 4 Stunden von Wien nach Prag, Pilsen befindet sich noch 100 km weiter westlich nahe der deutschen Grenze.
Bekannt ist Pilsen, 2015 gemeinsam mit der Stadt Mons in Belgien Kulturhauptstadt Europas, wegen des Pilsner Biers und der Škoda-Werke. Ich war schon mehrmals dort, allerdings nicht aus touristischen Motiven, sondern um an einem der von Vlastimil Šroubek veranstalteten Marathons teilzunehmen, wie etwa die 104 Runden im Stadion von Pilsen oder die Goldene Woche zu Ehren Emil Zátopeks, der bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki drei Goldmedaillen auf der Mittelstrecke gewann (mit seiner Marathonbestzeit von 2:23:03 läge er heutzutage nur in der Frauenwertung im Spitzenfeld). In den letzten Jahren fand die Gedenklaufserie in Prag im Stromovka Park, eine 95 ha große Wildparkanlage in der tschechischen Hauptstadt Prag, statt.
Obwohl ich ebenfalls schon mehrmals dort war, spaziere ich vom „Platz der Republik“, der in vielen Stadtplänen auch außerhalb Europas aufscheint, zur Pilsener Brauerei. Am 30. 12. um 16 Uhr finden keine Führungen statt, nur der Souvenirladen ist offen. Die wenigen Besucher begnügen sich mit einer Dose edlen böhmischen Biers, die vor dem Shop ausgetrunken wird – der Statistik nach ist der Pilsener Urquell das beliebteste Bier Deutschlands (und vermutlich wohl auch Tschechiens). In den Geschäften kostet es doppelt so viel wie bspw. das seit 1869 gebraute Gambrinus (nicht zu verwechseln mit dem österreichischen Dosenbier Gambrinus bei Hofer), das heute ebenso wie Pilsner Urquell von der Brauerei Plzeňský Prazdroj in Pilsen produziert wird.
Zum Rennverlauf
Mit Vlastimil habe ich vereinbart, dass ich mit einigen anderen schon um 13 Uhr, 2 Stunden vor der offiziellen Beginnzeit, starten darf, er holt mich pünktlich um 12 Uhr vor dem Hotel Central ab. Neben dem Marathon stehen ein Lauf über die Halbdistanz und einer über 10 km auf dem Programm. Austragungsort ist der 2 km entfernte Lochotínský Park auf der ul. Pod Vinicemi direkt beim Zoo von Pilsen. Das Startgeld von 400 Kč (1 Euro = 25 Kč), also umgerechnet ca. 16 Euro, entrichte ich gleich bei der Ankunft. Vlastimil baut die Versorgungsstelle auf, ich bin beeindruckt, wie üppig das Angebot ist: echtes Cola (nicht Cofola, das mir gar nicht schmeckt, aber in der Slowakei und Tschechien gut ankommt), Iso, Wasser (auch mit Kohlensäure), warmer Tee, Kekse, belegte Brötchen, Rosinen (wie bspw. beim Reggio Emilia Marathon am 12. Dez.), Schokoriegel, Apfelspalten, Orangenstücke, selbst teure Gels. Im Auto hat er mit meiner vollen Zustimmung auf die Pandemie geschimpft, die dazu geführt hat (weltweit muss man ergänzen), dass viele Sportveranstaltungen abgesagt wurden und auch heute mehr als die Hälfte der avisierten Läufer/innen nicht kommen wird. So wird es also ein Minimarathon mit voraussichtlich nur einem Dutzend Startern, dazu kommen die über 21.1 km und die beim Zehner starten. Vlastimil wird beim Aufbau von einigen Helfern unterstützt, die bei der Versorgung und den Wendstellen das Geschehen überwachen und assistieren werden.
5 Minuten vor 13 Uhr stehen vier Läufer und eine Frau an der Startlinie, für mich sind es sozusagen „alte“ Bekannte wie Stanislav Jančář (Jg. 1967) aus Ostrava, Michael Turzynski (Jg. 1968) aus Hannover und Tomáš Ulma (Jg. 1964) aus Prag. Diese Herren sind Marathonsammler, denen es primär um die Jahresanzahl an gefinishten Läufen geht, Kollege Ulma verbucht am Tag des Silvestermarathons in Pilsen bereits 646 Finishes, der Deutsche Turzynski 702 (wie er mir erzählt) und auch Stani hat bereits 208 zählbare Marathons (auf der Website behej.com kann man wie bei marathonaustria.com entsprechende Statistiken ermitteln). Ich spreche deshalb von „alten“ Bekannten, weil ich in früheren Jahren, etwa um 2015 und vielleicht bis 2017 gerade mit Tomáš Ulma den einen oder anderen Wettstreit ausgefochten habe – sei es in Čadca in der Slowakei oder auch in Ostrava – beim Marathon dort noch im Okt. 2019 habe ich ihm einige Minuten „abgenommen“. Aber man muss zugeben, dass alles relativ ist, denn während Michael Turzynski an diesem Wochenende gleich drei Läufe abspult, brauche ich mittlerweile eine Woche, um meine kaputten Knie und Füße wieder einigermaßen in Bereitschaft zu bringen. Mein Ziel für heute ist eine (bescheidene!) sub 6 h-Finisherzeit.
Gleich nach dem Start laufen wir 1.5 km nach Westen, das Wetter ist perfekt, sonnig, fast zu warm, nur der Wind stört etwas. Meine drei Lagen sind zwar für den 31.Dezember kalendermäßig angebracht, aber heute sind ein Singlet, ein Langarmshirt und eine dünne Windjacke fast zu viel an Laufkleidung. Auf der ersten Runde von insgesamt 14 Runden à 3 km (1.5 km hin und zurück nach Osten) mit einigen kleinen (naturgemäß gegen Ende eines Rennens als „giftig“ erlebten) Steigungen liege ich noch knapp vor Tomáš Ulma, dann zieht er an mir vorbei – seine Taktik ist schon seit Jahren schnelleres Gehen mit kurzen Laufeinheiten. Mit dieser Methode kann man bei Marathons, die eher flach sind, mit Zeiten zwischen 5:30 und knapp unter sub 6 h finishen.
Während des Rennens stören die vielen Spaziergänger, einige Radfahrer, die sich mit Recht auf der Laufstrecke bewegen, etwas den Fluss. Aber man verliert nicht wirklich Zeit, es geht um Sekunden. Um 15 Uhr stoßen weitere Teilnehmer dazu, das Renngeschehen wird somit etwas dichter und bunter, man bekommt neue Gesichter zu sehen, darunter auch den späteren Gewinner des Silvestermarathons. Gegen 17 Uhr wird es dunkel, Vlastimil hat unterdessen von allen Teilnehmern Fotos gemacht, bei der Labe und auch auf der Strecke. Ich selbst habe auch wieder meine Digicam dabei, allerdings mit der Ungewissheit, ob ein kurzer Bericht angebracht erscheint, schließlich kann man diesen Event heute bestenfalls als Minimarathon einstufen. Während Tomas mich im Laufe der 14 Runden nicht überholen kann, finishen Stanislav Jančář und seine Begleiterin Judit Fujerikova um eine Stunde vor mir, auch Michael Turzynski beendet das Rennen 1 ½ Runden, fast eine halbe Stunde, vor mir. Die letzten 195 m führt der Marathonkurs den Hügel hinauf in Richtung des dort befindlichen Marionetten Museums. Mein Ziel hier sub 6 Stunden zu finishen, erreiche ich, das zählt für mich am meisten.
Kurze Schlussbetrachtung
Vladimir Šroubek hat wie immer auch am Silvestertag mit großem Engagement eine bestens organisierte Laufveranstaltung auf die Beine gestellt. Schade, dass das Starterfeld so gering war, aber die verstärkten Restriktionen bei Reisen auch in Tschechien und wohl auch die Sorge, sich mit der neuen Corona-Mutation namens Omikron zu infizieren, mag dazu beigetragen haben. Pauschal kann man resümieren, dass alle Events, die der SC Marathon Plzeň durchführt, durch ihr hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis hervorstechen – Läuferkollegen aus der Slowakei und Tschechien haben mir schon oft mitgeteilt, dass sie zwar sehr gerne in Österreich beim Vienna City Marathon antreten würden, aber ihnen das Startgeld einfach zu hoch ist (gemessen am Einkommen). So erklärt sich, dass die eifrigen Sammler in beiden Ländern wie auch Christian Hottas in Deutschland im kleinsten Kreis eigene Marathons veranstalten und jeweils drei Finisher ausreichen (ohne Zeitlimit), um gemäß ihren eigenem Vereinsstatuten Zählbarkeit zu erreichen. Früher habe ich diese Events gemieden, heute mit demnächst 68 Lebensjahren ist mein Verständnis dafür aber gewachsen.
Am Platz der Republik wurde bis weit nach Mitternacht das neue Jahre mit einem Leuchtraketenfeuerwerk begrüßt, ich wünsche mir und allen, die sich angesprochen fühlen, für 2022 wieder bessere Laufzeiten.
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