Fünf Goldmedaillen holte das Österreichische Team bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea - mehr Olympiasiege gab es in der Vergangenheit nur zwei Mal. Doch der Schein trügt: Betrachtet man die Medaillenausbeute in Relation zur Anzahl der Bewerbe, so waren es die zweitschwächsten Winterspiele aller Zeiten für Österreich.
In PyeongChang wurden erstmals in über 100 Wettbewerben Olympiasieger ermittelt. Das sind fast doppelt so viele wie noch 1992, als Österreich in Albertville 21 Medaillen aus lediglich 57 Wettbewerben holte. Sechs davon glänzten in Gold.
Nur in Sarajevo schwächer
Die 14 Medaillen (5 x Gold, 3 x Silber, 6 x Bronze) in PyeongChang waren so wenige wie seit 1994 nicht mehr. Noch schlimmer aber ist die Bilanz, wenn man den prozentualen Anteil der Medaillen in Relation zu den angebotenen Bewerben berechnet. Denn nur 4,6 % der Olympiasieger 2018 kamen aus Österreich. Das ist die zweitschwächste Bilanz in fast 100 Jahren Olympiageschichte. Bei den bisher 23 ausgetragenen Winterspielen schnitt Österreich nur 1984 in Sarajevo noch schlechter ab. Damals verhinderte Skifahrer Anton Steiner mit der einzigen Medaille (Abfahrts-Bronze) den "Salto Nullo". Ein einmaliger Ausrutscher: Acht Jahre später folgte, wie bereits erwähnt, in Albertville eine der erfolgreichsten Winterspiele: 6 x Gold, 7 x Silber, 8 x Bronze und Rang 4 im Medaillenspiegel.
Nur von der Sowjetunion geschlagen
Vier mal schaffte es aber unsere Alpenrepublik gar in die Top 3 des Medaillenrankings. Erstmals bei der Premiere 1924 in Chamonix wo zwei Goldene und eine Silberne aus 16 Wettkämpfen zu Rang 3 in der Endabrechnung reichten. Die erfolgreichsten Spiele aber sollten 1956 in Cortina d'Ampezzo folgen, wo nach 4 x Gold, 3 x Silber und 4 x Bronze Platz 2 hinter der damals überragenden Sowjetunion eingenommen wurde. Nur drei Medaillen weniger als 2018 in Südkorea und das, obwohl damals nur 24 Bewerbe ausgetragen wurden. Somit holte das Österreichische Team damals über 15 Prozent aller möglichen Medaillen und 16,7 Prozent aller Goldmedaillen. Bis heute ein Höchstwert für unserer Wintersportler. Acht Jahre später war man 1964 bei den Heimspielen in Innsbruck mit vier Goldenen, fünf Silbernen, drei Bronzenen und erneut Rang 2 im Nationenranking (wieder hinter Sowjetunion) ähnlich erfolgreich. Allerdings mit mittlerweile zehn Wettbewerben mehr als noch 1956 in Italien.
Turin 2006: Ein positiver Ausrutscher?
Es sollte über 40 Jahre dauern, bis Österreich wieder ähnlich erfolgreiche Spiele bejubeln durfte. 2006 in Turin räumten unserer Wintersportler so viele Medaillen wie noch nie ab. Mit neun Goldenen, sieben Silbernen und sieben Bronzenen nahmen wir Rang 3 hinter Deutschland und den USA ein. Es waren die meisten Olympiasiege und die meisten Medaillen die Österreich bei ein und denselben Spielen gewann. Leider, wie sich heute herausstellt, waren die Spiele 2006 in Italien ein "positiver Ausrutscher". Denn mit Ausnahme von Turin, nahm Österreich bei den letzten sieben Winterspielen im Medaillenspiegel eine Platzierung zwischen 8 und 10 ein.
Kleinere Nation holt drei Mal so viele Medaillen
Rang 10 im Medaillenspiegel 2018 ist nach Sarajevo die zweitschwächste Platzierung (2002 nahm Österreich ebenfalls Platz 10 ein). Sogar Veranstalter Südkorea platzierte sich im Medaillenranking erstmals vor Österreich. Der Sieger der Nationenwertung Norwegen kam mit 14 x Gold, 14 x Silber, 11 x Bronze auf fast drei Mal so viele Medaillen. In Norwegen leben übrigens nur etwas mehr als fünf Millionen Einwohner. Die Argumentation, die man gerne nach verpatzten Sommerspielen hört, das Österreich aufgrund der Einwohnerzahl keine Chance gegen große Nationen hat, zieht also bei Winterspielen nicht. Mit der Schweiz und Schweden schlossen zwei weitere Nationen mit vergleichbarer Einwohnerzahl die Medaillenwertung vor Österreich ab. Auch die Niederlande ist mit 20 Medaillen, davon 8 Goldenen weitaus erfolgreicher.
Olympia 2018 - Medaillenspiegel (Top 20)
Platz | Nation | G | S | B | GS |
---|---|---|---|---|---|
1 | Norwegen | 14 | 14 | 11 | 39 |
2 | Deutschland | 14 | 10 | 7 | 31 |
3 | Kanada | 11 | 8 | 10 | 29 |
4 | Vereinigte Staaten | 9 | 8 | 6 | 23 |
5 | Niederlande | 8 | 6 | 6 | 20 |
6 | Schweden | 7 | 6 | 1 | 14 |
7 | Südkorea | 5 | 8 | 4 | 17 |
8 | Schweiz | 5 | 6 | 4 | 15 |
9 | Frankreich | 5 | 4 | 6 | 15 |
10 | Österreich | 5 | 3 | 6 | 14 |
11 | Japan | 4 | 5 | 4 | 13 |
12 | Italien | 3 | 2 | 5 | 10 |
13 | OA aus Russland | 2 | 6 | 9 | 17 |
14 | Tschechien | 2 | 2 | 3 | 7 |
15 | Weißrussland | 2 | 1 | 0 | 3 |
16 | Volksrepublik China | 1 | 6 | 2 | 9 |
17 | Slowakei | 1 | 2 | 0 | 3 |
18 | Finnland | 1 | 1 | 4 | 6 |
19 | Großbritannien | 1 | 0 | 4 | 5 |
20 | Polen | 1 | 0 | 1 | 2 |
Vollständiger Medaillenspiegel
Viel mehr war nicht zu erwarten
Zugegeben, als große Enttäuschung darf man die Winterspiele 2018 für Österreich aber auch nicht werten. Denn viel mehr war vor den Titelkämpfen nicht zu erwarten - die Ausgangslage war davor schon mehr als bescheiden. Es gab kaum Österreicher, die als Topfavorit nach PyeongChang anreisten. Marcel Hirscher (2 x Gold) und Anna Gasser (Gold im Big Air) erfüllten ihre Erwartungen, zudem kam der ebenso nicht überraschende Olympiasieg von Matthias Mayer im Super G hinzu. Einzig unerwartet war die Goldmedaille von Rodler David Gleirscher. Weitere Olympiasiege wurden erst auf der "Zielgeraden" verspielt: So etwa im Skeleton durch Janine Flock. Die Tirolerin lag nach 3 von 4 Läufen auf Goldkurs, fiel aber im letzten Durchgang auf Rang 4 zurück. Ebenfalls Gold verspielte Slalom-Läuferin Bernadette Schild, die im 2. Durchgang grandios unterwegs war. Erst ein schwerer Fehler im letzten Teilabschnitt kostete ihr eine mögliche Goldmedaille. Ebenfalls bitter war der 2. Platz von Skifahrerin Anna Veith. Die zweifache Gesamt-Weltcupsiegerin ließ sich im Super-G bereits als Siegerin feiern, ehe "Snowboarderin" Ester Ledecka eine Hundertsel schneller war. Die Tschechin gewann übrigens eine Woche später auch Gold im Snowboard Parallel-Riesentorlauf und war damit die erste Wintersportlerin, die bei den selben Spielen zwei Olympiasiege in zwei völlig unterschiedlichen Sportarten feierte.
Potential bei Weitem nicht ausgeschöpft
Unsere desaströsen Skispringer gingen komplett leer aus. Die nordischen Kombinierer laufen seit Jahren hinterher, konnten sich aber immerhin mit zwei Bronzenen trösten. Das Klasseunterschied zu Deutschlands Kombinierern ist allerdings riesig. Auch unserer Rodler (trotz 1 x Gold, 1 x Silber und 1 x Bronze) und Bob-Fahrer sind in der Regel gegen Deutschlands Olympia-Starter chancenlos. Die Biathleten gingen dank der Bronze-Medaille durch Dominik Landertinger nicht ganz leer aus, vergaben aber viele weitere Chancen auf weitere Medaillen oder gar Olympiasiege. Im Eisschnellauf hat Vanessa Herzog mit den Plätzen 4 und 5 ihr Potential bewiesen, Langläuferin Teresa Stadlober verfuhr sich am letzten Olympiatag über die 30 km und vergab so eine fast sichere Medaille. Doch auch die Steirerin bewies mit 3 Top-10 Plätzen ihr Potential für zukünftige Großereignisse. Enttäuschend ist hingegen die Medaillenbilanz der Wintersportler auf "Brettern" abseits der alpinen Skifahrer. Die Skicrosser fuhren ebenso hinterher wie die Snowboarder. Bei den vielen Freestyle-Bewerben gab es mit Anna Gasser nur eine ernsthafte Medaillenkandidatin. Die hatte allerdings durch ihren Olympiasieg auch die Erwartungen voll und ganz erfüllt. Angesichts der Infrastruktur und der winterlich hervorragenden Bedingungen in Österreich, ist die Entwicklung des Österreichischen Wintersports mehr als bedenklich. Das Potential wäre durchaus vorhanden, neben Ski Alpin auch in vielen anderen Sportarten (Snowboard, Skicross, Freestyle, Langlaufen, Biathlon, Nordische Kombination, Skispringen, Rodeln, Bob, Skeleton und unter Umständen auch Eisdisziplinen wie Eisschnellauf und Shorttrack, bei denen in Summe über 20 Goldmedaillen vergeben werden) regelmäßig am Podest anzuschreiben.
Olympia: Medaillenbilanz des Österreichischen Teams von 1924 - 2018
Rang | Platz | G | S | B | GS | WK | % | % G |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1924 | 3. | 2 | 1 | 0 | 3 | 16 | 6,3% | 12,5% |
1928 | 7. | 0 | 3 | 1 | 4 | 14 | 9,5% | 0,0% |
1932 | 6. | 1 | 1 | 0 | 2 | 14 | 4,8% | 7,1% |
1936 | 6. | 1 | 1 | 2 | 4 | 17 | 7,8% | 5,9% |
1948 | 7. | 1 | 3 | 4 | 8 | 22 | 12,1% | 4,5% |
1952 | 5. | 2 | 4 | 2 | 8 | 22 | 12,1% | 9,1% |
1956 | 2. | 4 | 3 | 4 | 11 | 24 | 15,3% | 16,7% |
1960 | 9. | 1 | 2 | 3 | 6 | 27 | 7,4% | 3,7% |
1964 | 2. | 4 | 5 | 3 | 12 | 34 | 11,8% | 11,8% |
1968 | 5. | 3 | 4 | 4 | 11 | 35 | 10,5% | 8,6% |
1972 | 9. | 1 | 2 | 2 | 5 | 35 | 4,8% | 2,9% |
1976 | 7. | 2 | 2 | 2 | 6 | 37 | 5,4% | 5,4% |
1980 | 4. | 3 | 2 | 2 | 7 | 38 | 6,1% | 7,9% |
1984 | 17. | 0 | 0 | 1 | 1 | 39 | 0,9% | 0,0% |
1988 | 6. | 3 | 5 | 2 | 10 | 46 | 7,2% | 6,5% |
1992 | 4. | 6 | 7 | 8 | 21 | 57 | 12,3% | 10,5% |
1994 | 9. | 2 | 3 | 4 | 9 | 61 | 4,9% | 3,3% |
1998 | 8. | 3 | 5 | 9 | 17 | 68 | 8,3% | 4,4% |
2002 | 10. | 3 | 4 | 10 | 17 | 78 | 7,3% | 3,8% |
2006 | 3. | 9 | 7 | 7 | 23 | 84 | 9,1% | 10,7% |
2010 | 9. | 4 | 6 | 6 | 16 | 86 | 6,2% | 4,7% |
2014 | 9. | 4 | 8 | 5 | 17 | 98 | 5,8% | 4,1% |
2018 | 10. | 5 | 3 | 6 | 14 | 102 | 4,6% | 4,9% |
GS | 64 | 81 | 87 | 232 | 1054 | 7,3% | 6,1% |
G = Gold | S = Silber | B = Bronze | GS = Medaillen gesamt | WK = Anzahl Wettkämpfe | % = prozentualer Anteil der Österreichischen Medaillen | % G = prozentualer Anteil der Österreichischen Goldmedaillen
Kommentare
Im Shorttracks ists nichts? Haben wir da überhaupt schon mal Starter gehabt?
Noch unerkärlicher ist für mich, wieso wir bei den Freestyle-Sportarten so schwach aufgestellt sind. Wir haben ja in Österreich grandiose Bedingungen und dann sind wir - mit Ausnahme von Gasser - chancenlos! Auch im Skicross. In so einer Sportart müsste Österreich eigentlich eine Medaillenbank sein.
Aber solange in Österreich der Fokus fast ausschließlich aufs Skifahren gerichtet ist, wird sich daran nicht viel ändern. Da liegt auch die Pflicht beim ORF, andere Sportarten auch außerhalb der Olympischen Spiele in den Fokus zu stellen. Größere Medieninteresse zieht auch die Sponsoren an und ermöglichen so den Sportlern ihre Sportart risikofreier durchführen zu können. Aber klar, wenn du nichts verdienst damit und du keine ordentlichen Trainingsbedingungen hast (Eisdizsiplinen beispielsweise) wird sich daran nicht viel ändern. Ich fürchte wir werden und der aktuellen Führung auch bei den nächsten Großereignissen auf der Stelle treten.
haben auch im shorttrack angeschrieben. und wieso ist der vergleich deshalb nicht fair? im eisschnellauf und shorttrack gibt es sehr viele medaillen zu holen. der öoc könnte ja diese sportarten mehr fördern, dann wäre da auch für uns mehr drinnen.