Anaerobes Training ist eine Trainingsmethode im oberen Intensitätsbereich.
Diese Trainingsform macht in nahezu allen Sportarten Sinn. Im Laufsport dient das anaerobe Training vorrangig dazu, die Schnelligkeit, die Schnelligkeitsausdauer und die Tempohärte zu verbessern.
Anaerobes Training: Bedeutung
Im Ausdauersport von großer Bedeutung ist die anaerobe Schwelle (= ANS). Das ist der Punkt, bei der die Laktatbildung und der Laktatabbau im Gleichgewicht stehen. Belastungen an der anaeroben Schwelle bzw. Laktatschwelle sind zwar sehr anspruchsvoll, können aber sehr lange durchgeführt werden. Ein hervorragend trainierter Marathonläufer legt die gesamte Marathondistanz im Bereich der anaeroben Schwelle (aber auf keinen Fall darüber) zurück. Ein gut trainierter Hobbyläufer sollte 15 bis 20 Kilometer im Bereich der anaeroben Schwelle laufen können.
Das große Ziel eines Läufers: Die anaerobe Schwelle nach oben zu verschieben!
Bei einer Intensität über der anaeroben Schwelle wird mehr Laktat aufgebaut als gleichzeitig abgebaut werden kann. Die Folge ist ein Leistungseinbruch. Je nachdem, wie weit wir über der anaeroben Schwelle trainieren, desto schneller kommt es zu einem Leistungseinbruch. Bei einem 10-Kilometerlauf wird zumeist knapp über der Laktatschwelle gelaufen, wodurch bei optimaler Renngestaltung das Tempo bis zum Ziel gehalten werden kann. Ein 800-Meter-Läufer legt die zwei Stadionrunden weit über der anaeroben Schwelle zurück. Dieser würde das Tempo keine 200 Meter länger halten können, bis es zu einem akuten Leistungseinbruch kommt.
Das anaerobe Training soll nun einerseits dazu dienen, den Körper an die Belastungen im anaeroben Bereich so gut es geht zu gewöhnen. Andererseits soll es zu einer Verschiebung der anaeroben Schwelle nach oben kommen. Das kann aber vorrangig nur durch Trainingseinheiten an der anaeroben Schwelle (und nur bedingt darüber) realisiert werden. Mehr dazu im nächsten Punkt.
Anaerobes Training beim Laufen
Um die anaerobe Schwelle zu verbessern, benötigt es nicht unbedingt ein Training im anaeroben Bereich. Denn Dafür ist das Training an der anaeroben Schwelle die perfekte Methode. Diese Trainingsmethode hat das Ziel, in Form von Tempoläufen oder Intervalleinheiten lange im Bereich an der anaeroben Schwelle (aber nicht darüber) zu laufen. Das soll zu einer Verschiebung der Schwelle nach oben führen. Das heißt, wir können ein höheres Tempo laufen, bis wir die anaerobe Schwelle erreichen. Wir werden also zum besseren Läufer.
Mehr dazu haben wir auch hier genauer erklärt: Laufen: Was bedeutet "aerob" und "anaerobe Schwelle"?
Tatsächlich, wörtlich genommen, ist anaerobes Training aber eine Trainingsform, bei der im anaeroben Bereich gelaufen wird. Das klassische Beispiel dafür ist das Intervalltraining. Bei diesem wird, je nach Intensität, bei den Tempoeinheiten im anaeroben Bereich gelaufen.
Höchstens 20 Prozent des Trainingsumfangs sollen im anaeroben Bereich gelaufen werden.
Der Puls beim anaeroben Training
Bei einem Großteil der Sportler befindet sich die anaerobe Schwelle bei 88 - 93 Prozent der maximalen Herzfrequenz.
Allerdings ist eine Trainingssteuerung über die Herzfrequenz im anaeroben Bereich nicht immer sinnvoll: Zumindest bei einem Intervalltraining ist die Steuerung über die Herzfrequenz auf keinen Fall zu empfehlen. Da es bei einem Wechsel aus hoher Belastung und niedriger Belastung bei den hohen Intensitäten zu einem verzögerten Anstieg der Herzfrequenz kommt, werden hohe Pulswerte womöglich erst gegen Ende eines Tempolaufes erreicht. Das gilt vor allem bei Intervalleinheiten mit kurzen Abschnitten (z.B. 15 x 400 Meter).
Das Training wird also beim anaeroben Intervalltraining über die Pace (Geschwindigkeit) und nicht über den Puls gesteuert.
Beispiele für anaerobes Lauftraining
1) Intervalltraining
Ein klassisches anaerobes Training sind Intervalleinheiten, wie 15 x 400 Meter oder 8 x 1.000 Meter.
Ein typisches Intervalltraining für einen 5-Kilometerläufer könnten 6 x 1000 Meter sein: Die 1.000 Meter werden im 5-Kilometer-Wettkampftempo oder minimal schneller gelaufen. Dazwischen wird 2 - 3 Minuten getrabt bzw. gegangen. Das Training soll nicht komplett ausbelasten. Nach dem letzten Intervall sollte noch die Kraft ausreichen, um ein bis zwei weitere Tempoläufe bis zur tatsächlich totalen Erschöpfung machen zu können.
Mehr dazu: Intervalltraining für Läufer - so trainierst du Intervalle richtig!
2) Bergauf-Läufe
Eine Form des Intervalltrainings für die Saisonvorbereitung sind Tempoläufe bergauf. Dazu wird eine Strecke mit etwas Gefälle gesucht. Nun ca. 60 Sekunden lang bergauf laufen (oder 200 - 300 Meter), danach wieder locker bergab joggen bzw. gehen und diesen Ablauf 10 - 15 mal wiederholen. Im Gegensatz zum Intervalltraining wird damit zwar weniger die Schnelligkeit trainiert, dafür richtig viel Kraft(ausdauer) in die Muskulatur gepumpt.
3) Fahrtspiel
Auf einer beliebigen Laufstrecke, egal ob flach oder hügelig, je nach Gefühl, regelmäßig das Tempo wechseln. Gelaufen wird wechselnd im Grundlagentempo oder in einem Tempo an der anaeroben Schwelle oder knapp darüber. Wie lange in welchem Bereich gelaufen wird, kann frei gewählt werden. Mehr zum Fahrtspiel inkl. Praxis-Beispielen: Was bedeutet Fartlek (Fahrtspiel) und wie funktioniert das Training?
4) Laufen an der anaeroben Schwelle
Diese Methode wird auch als Schwellentraining oder "Lactate Steady-state" bzw. "Threshold-Running" bezeichnet. Diese Trainingsform ist unglaublich effizient, wenn es darum geht, die anaerobe Schwelle nach oben zu verschieben. Allerdings erfordert diese Trainingsform auch ein sehr gutes Tempogefühl. Denn es sollte tatsächlich möglichst nah im Bereich an der Laktatschwelle gelaufen werden und keinesfalls darüber, aber auch nicht zu weit darunter.
Dieses Training ist als Tempolauf möglich, wie z.B. 5 - 15 Kilometer (je nach Leistungsniveau) an der anaeroben Schwelle. Aber auch als Intervalltraining macht diese Trainingsform Sinn: Ein Marathonläufer könnte z.B. 4 x 5 Kilometer absolvieren.
Viele Weltklasseläufer bezeichnen das "Threshold-Training" als die wichtigste Trainingsform überhaupt. Sie legen 20 - 25 Prozent ihres Kilometerumfangs in diesem Bereich zurück. Auch Wunderläufer und Olympiasieger Jakob Ingebrigtsen schwört auf das Schwellentraining: So trainiert Wunderläufer Jakob Ingebrigtsen! [+ Tipps für das Lauftraining]
Alternativen: Anaerobes Training auf dem Ergometer oder Rudergerät
Auch außerhalb des Laufsports liegt anaerobes Training im Trend.
Früher nannte man es Zirkeltraining, heute werden dafür trendigere Begriffe wie Crossfit, Freeletics usw. verwendet. Sie bauen ebenfalls (teilweise) auf einen Wechsel von hoher Belastung mit kurzer Erholung (wie beim klassischen Läufer-Intervalltraining) auf. Auch da befindet sich der Sportler im anaeroben Bereich. Wichtig ist aber bei technischen Übungen, dass die Ausführung der Bewegung trotz hoher Intensität noch korrekt bleiben muss. Kniebeuge oder Burpees müssen also auch im stark ermüdeten Bereich technisch sauber durchgeführt werden.
Auch auf dem Fahrrad-Ergometer, dem Laufband oder dem Rudergerät ist anaerobes Training in Form von Intervallen möglich.
Ist anaerobes Training gefährlich?
Je geringer das Leistungsniveau und je unerfahrener der Läufer ist, desto gefährlicher sind die Auswirkungen des anaeroben Trainings auf den Körper. Anaerobes Training ist ein wichtiges Trainingselement zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Das heißt, wer langfristig sportliche Fortschritte erzielten möchte, wird um das anaerobe Training nicht drumherum kommen, auch wenn es nur einen geringen Teil des Trainingsumfangs in Kauf nimmt. Wer allerdings nur aus gesundheitlichen Gründen sportlich aktiv ist und nicht das Ziel verfolgt, schneller zu werden, der kann zur Gänze auf anaerobes Training verzichten.
Angriff auf das Immunsystem
Diese Trainingsform ist zwar grundsätzlich nicht gefährlich, birgt aber trotzdem einige Gefahren. So ist unser Immunsystem nach solchen Belastungen geschwächt, was zu einer erhöhten Gefahr für Infekte in den ersten Stunden nach der harten sportlichen Einheit führt (Open-Window-Effekt).
Erhöhte Verletzungsgefahr
Natürlich ist auch die Verletzungsgefahr etwas höher, da während der Belastung höhere Kräfte auf unseren Körper einwirken. Ein umfangreiches Aufwärmprogramm (z.B. Lauf-ABC) kann diese Gefahr allerdings wieder etwas reduzieren.
Lange Regeneration
Ein weiterer Faktor ist die Ermüdung. Unser Körper benötigt nach intensiven Aktivitäten deutlich mehr Zeit für die Regeneration. Im höheren Alter wird dieser Faktor noch einmal verschärft. Deswegen nimmt auch mit zunehmenden Alter der Reiz für das anaerobe Training etwas ab.
Wichtig für die Regeneration ist zudem auch die Ernährung nach dem Sport. Mehr dazu hier: Effiziente Regeneration nach dem Laufen bzw. nach dem Sport!
Reduzierte Konzentration
Zudem kann durch sehr intensives Training auch die Konzentration und Denkleistung zum Zeitpunkt der Belastung negativ beeinträchtigt sein. Der Grund dafür ist einfach erklärt: Unser Körper muss beim Sport im anaeroben Bereich ausschließlich auf die Energieverbrennung durch Kohlenhydrate zugreifen. Diese benötigt der Körper aber auch für andere Bereiche, wie etwa das Gehirn. Das führt nun zu einer reduzierten Gedächtnisleistung während der hoch-intensiven Belastung.
Schlussfazit
Wir empfehlen mit steigendem Leistungsniveau und steigenden Ambitionen dem anaeroben Training mehr Bedeutung zu widmen. Wer nur "Just for Fun" läuft, muss sich mit dieser Trainingsform nicht weiter beschäftigen.
Das solltest du ebenfalls wissen: Was bedeutet VO2max und wie verbessert man diese?
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