Beim Laufen und auch bei anderen Ausdauersportarten wird das Training vorrangig über die Herzfrequenz oder über das Tempo gesteuert.
Für eine Steuerung über die Herzfrequenz benötigt der Sportler vorab seine individuelle maximale Herzfrequenz. Dabei ist es von hoher Bedeutung, dass dieser Maximalpuls exakt und zuverlässig bestimmt wird. Zur Ermittlung der maximalen Herzfrequenz gibt es mehrere Methoden. Manche sind komplexer und sehr genau, manche wiederum sind weniger komplex, aber teilweise auch sehr ungenau und auf keinen Fall für eine zuverlässige Bestimmung der maximalen Herzfrequenz geeignet.
Was ist die maximale Herzfrequenz?
Die maximale Herzfrequenz (HFmax) gibt die Anzahl der maximalen Herzschläge pro Minute (bpm = beats per minute) an. Dieser Wert ist individuell unterschiedlich. Den größten Einflussfaktor auf die maximale Herzfrequenz hat das Alter. Mit zunehmenden Alter sinkt der Maximalpuls. Die Leistungsfähigkeit oder das Talent beeinflussen übrigens nicht die maximale Herzfrequenz bzw. nur sehr marginal. Das heißt, ein Läufer mit einem Maximalpuls von 200 hat nicht automatisch mehr Leistungspotential als ein Läufer mit einem Maximalpuls von 195.
Da aber mit zunehmenden Alter die maximale Herzfrequenz abnimmt, ist dieser Faktor bei der Erbringungen von sportlichen Höchstleistungen limitierend.
Formel für die maximale Herzfrequenz
Lange Zeit wurde für eine ansatzweise Bestimmung der individuellen Herzfrequenz die Formel "220 - Lebensalter" empfohlen. Grundsätzlich gibt diese Formel tatsächlich einen "Anhaltspunkt" darüber an, welchen Maximalpuls wir in welchem Alter erreichen können. Da aber trotzdem noch viele weitere Faktoren die maximale Herzfrequenz beeinflussen und es daher erhebliche Diskrepanzen geben kann, ist diese Formel für die Trainingssteuerung gänzlich ungeeignet.
Dazu nur ein kurzes Beispiel: Würde man diese Formel für einen 30-Jährigen anwenden, wären 190 Schläge die Basis für die maximale Herzfrequenz. Es ist aber durchaus möglich, dass ein 30-Jähriger tatsächlich nur eine maximale Herzfrequenz von 180 erreicht und ein anderer 30-Jähriger eine Herzfrequenz von 200 erreicht. Würde man bei der Trainingsplanung nun bei beiden Athleten die 190 Schläge als Grundlage nehmen, wäre die Gefahr eines Übertrainings bei Läufer A mit dem tatsächlichen Maximalpuls von 180 sehr hoch. Läufer B mit einem Maximalpuls von 200 hingegen würde zu wenig intensiv trainieren. Bei beiden wäre also die Trainingsplanung sehr ungenau. Im schlimmsten Falle könnte es so sogar zu Überlastungen und Verletzungen kommen.
Deswegen empfehlen wir diese Formel auf keinen Fall als Basis für die Trainingsplanung im Ausdauersport. Eine Studie konnte bei Sportlern gleichen Alters sogar eine Differenz um bis zu 60 Schläge bei der maximalen Herzfrequenz ermitteln. Damit ist wohl alles zur Zuverlässigkeit dieser Formel gesagt.
Allerdings gibt es einige andere Methoden, mit denen der individuelle Maximalpuls sehr genau ermittelt werden kann:
Zuverlässige Methoden zur Ermittlung des Maximalpulses
1) Selbsttest mit maximaler Ausbelastung
Zeitaufwand: 20 Minuten
Beschreibung der Methode: Sehr genau kann die maximale Herzfrequenz bei einer kurzen, aber hoch intensiven Belastung ermittelt werden. Dabei reicht es aus, einige Minuten mit maximalem Tempo bis zur totalen Erschöpfung zu laufen. Von besonders hoher Priorität dabei ist, dass Schonung in diesen Minuten tabu ist und die maximal mögliche Intensität angestrebt werden muss. Also, wer sich nicht quält, wird hier kein zuverlässiges Ergebnis ermitteln. Direkt nach der totalen Erschöpfung wird über die Pulsader die Anzahl Schläge in den nächsten 20 Sekunden gezählt. Dieser Wert wird mit 3 multipliziert.
Werden z.B. 65 Schläge gezählt, ergibt das einen Maximalpuls von 195 (65 x 3)
Aufgrund der hohen Intensität darf diese Belastung nur in erholtem Zustand und bei guter Gesundheit durchgeführt werden.
Ablauf:
- Aufwärmen (15 Minuten)
- Für 3 - 5 Minuten maximales Tempo bis zur totalen Erschöpfung laufen (idealerweise leicht bergauf).
- Danach sofort die maximale Herzfrequenz messen - entweder manuell über die Pulsader oder über die Laufuhr
Vorteile dieser Methode: Sehr einfache und kostenlose Anwendung.
Nachteile dieser Methode: Nicht so genau, wie eine Analyse im Labor bzw. unter sportwissenschaftlicher Betreuung (siehe Punkt 2). Zudem ist es aufgrund der hohen Herzfrequenz alles andere als einfach, die Schläge zuverlässig zu zählen. Dafür gibt es allerdings eine gute Alternative. Während der Belastung wird eine Laufuhr mit "Pulsgurt" getragen. Der von der Uhr ermittelte maximale Wert entspricht bei dieser Belastung der maximalen Herzfrequenz.
Wichtig: Bei einer Messung über die Uhr sollte die Herzfrequenz nicht über den Sensor der Uhr aufgezeichnet werden, sondern über einen Brustgurt. Denn die Messergebnisse über den Sensor der Uhr sind weniger genau als die Werte über den Brustgurt. Dieser Faktor tritt bei sehr hohen Belastungen sogar verstärkt in Kraft.
Tipp: Die Genauigkeit dieser Methode kann gesteigert werden, wenn diese Tests mehrmals absolviert werden (mind. 1 Woche Pause dazwischen). Der höchste Wert aus dieser Testreihe ergibt in der Regel den Maximalpuls. Ausreißer nach oben sind aber möglich und müssen vom Sportler richtig interpretiert werden. Wird z.b. bei 4 von 5 Tests ein Maximalpuls von 180 ermittelt und bei 5. Test eine maximale Herzfrequenz von 200 aufgezeichnet, dann ist stark davon auszugehen, dass die 200 ein Ausreißer sind und nicht der Realität entsprechen.
2) Sportliche Leistungsdiagnostik
Mittels Spiroergometrie oder einer Laktatbestimmung kann die maximale Herzfrequenz sehr genau ermittelt werden.
Beschreibung der Methode:
- Bei einer Spiroergometrie bildet dabei der respiratorische Quotient zum Zeitpunkt der maximalen Belastung und die Plateubildung der Sauerstoffaufnahme die Basis der Berechnung
- Bei einer Latkatbesimmung kommt es zu einer maximalen Ausbelastung, wodurch wie bereits in Punkt 1 die maximale Herzfrequenz bestimmt werden kann.
Vorteile dieser Methoden: Sehr genau und unter professioneller Anleitung eines Kardiologen, Sporttherapeuten oder Sportwissenschaftlers
Nachteile dieser Methoden: Aufwändig und nicht kostenlos
Wichtig: Ein Laktattest muss immer für die "Kernsportart" absolviert werden. Das heißt, ein Läufer absolviert den Laktattest beim Laufen (mittels Laufbandstufentest) und keinesfalls beim Radfahren. Zudem darf so ein Test nur bei sehr guter Fitness (keine Vorermüdung) und gutem Gesundheitszustand absolviert werden.
Bei einem Laufbandstufentest bzw. einem Stufentest absolvierst du für eine fest definierte Zeit oder Distanz eine bestimmte Geschwindigkeit. Danach wird dir über einen Bluttropfen aus dem Ohrläppchen das Laktat gemessen. Danach folgt die nächste Stufe mit erhöhter Geschwindigkeit. Der Test ist dann beendet, wenn das Tempo der Stufe nicht mehr bis zum Ende durchgelaufen werden kann. Ein Laktattest muss nicht zwingend auf dem Laufband gemacht werden. Wir empfehlen einen Laktattest auf einer Rundbahn (400 Meter oder 200 Meter), da dort der Laufstil im Gegensatz zum Laufband nicht beeinflusst wird.
Weiterer Vorteil dieser Methode: Mittels Laktattest wird zudem zusätzlich die anaerobe Schwelle ermittelt, welche Grundlage für ein zielgerichtetes Lauftraining ist.
3) Fitnesstests über Laufuhren
Diverse Laufuhren und Sportuhren haben Fitnesstests integriert, mit diesen ebenfalls die maximale Herzfrequenz genau ermittelt werden kann. Die Tests unterscheiden sich, je nach Hersteller leicht voneinander, sind aber vergleichbar mit Punkt 1.
Vorteile dieser Methode: Sehr einfache und kostenlose Anwendung sowie automatische Auswertung. Außerdem berechnen die Uhren danach automatisch die Herzfrequenzzonen.
Nachteile dieser Methode: Nicht ganz so genau wie eine sportliche Leistungsdiagnostik
Wichtig: Auch hier sollte der Test nur mittels Brustgurt durchgeführt werden, da die Pulsmessung über den Sensor der Uhr bei hohen Intensitäten nicht zuverlässig ist.
Maximale Herzfrequenz: Rechner & Formeln
Mit folgenden 3 Formeln kann der Maximalpuls berechnet werden. Diese 3 Formeln sind genauer als die oben erwähnte Standardformel, aber noch immer ungenauer als die 3 aktiven Testmethoden.
1) Formel unter Berücksichtigung des Alters und des Geschlechts
Zeitaufwand: 1 Minute
Bei Männern wird folgende Formel angewandt: 207 - (Alter x 0,7)
Bei Frauen wird folgende Formel angewandt: 206 - (Alter x 0,88)
Beispiel bei einem 35-jährigen Mann: 207 - (Alter x 0,7) = 182,5
Vorteile dieser Methode: Einfach und ohne Zeitaufwand
Nachteil dieser Methode: Wie auch die Standard-Formel ist auch diese Formel für die Trainingssteuerung zu ungenau und daher für die Trainingsplanung nicht zu empfehlen.
2) Sally Edwards Formel
Diese Formel berücksichtigt neben dem Alter und dem Geschlecht auch noch das Körpergewicht. Der Maximalpuls sinkt mit zunehmenden Körpergewicht leicht ab, allerdings nur marginal.
Zeitaufwand: 1 Minute
Bei Männern wird folgende Formel angewandt: 214 - 0,5 x Alter - 0,11 x Gewicht
Bei Frauen wird folgende Formel angewandt: 210 - 0,5 x Alter - 0,11 x Gewicht
Beispiel bei einem 35-jährigen Mann mit 75 kg: 210 - 0,5 x 35 - 0,11 x 75 = 184,25
Vorteile dieser Methode: Einfach, ohne Zeitaufwand und unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren
Nachteil dieser Methode: Ebenfalls ungenauer als die Praxis-Tests
3) Winfried Spanaus Formel
Wie auch bei Formel 1 wird neben dem Alter auch das Geschlecht berücksichtigt
Zeitaufwand: 1 Minute
Bei Männern wird folgende Formel angewandt: 223 - 0,9 x Alter
Bei Frauen wird folgende Formel angewandt: 226 - Alter
Beispiel bei einem 35-jährigen Mann: 223 - 0,9 x 35 = 191,5
Vorteile dieser Methode: Einfach und ohne Zeitaufwand
Nachteile dieser Methode: Die berechneten Werte scheinen im Allgemeinen etwas zu hoch angesetzt. Diese Berechnung ist unserer Meinung nach weniger exakt als die ersten zwei Formeln.
Von welchen Faktoren ist die maximale Herzfrequenz abhängig?
- Alter: sehr hoher Einflussfaktor
- Motivation (maximale Ausbelastung): mittlerer Einflussfaktor
- Geschlecht: geringer Einflussfaktor
- Körpergewicht: geringer Einflussfaktor
- Individuell, nicht begründbare Faktoren: geringer Einflussfaktor
- Bestehende Erkrankungen: geringer Einflussfaktor
- Trainingszustand und Gesundheitszustand: sehr geringer Einflussfaktor
Anmerkung: Auch die Art der Belastung (z.b. Laufen oder Radfahren) hat einen Einfluss auf den maximalen Puls. So wird beim Radfahrer ein etwa um 10 % niedriger Maximalwert berechnet. Deswegen muss die maximale Herzfrequenz immer bei der Belastung berechnet werden, die auch im Fokus des Athleten steht.
Wie stark sinkt die Herzfrequenz mit zunehmendem Alter?
In etwa ist pro Dekade (10 Jahre) mit einem Absinken der Herzfrequenz um 7 - 10 Schläge zu rechnen. Das heißt, eine regelmäßige Neubestimmung der maximalen Herzfrequenz ist nicht zwingend notwendig. Am einfachsten ist es, wenn pro Jahr ein Pulsschlag abgezogen wird bzw. alle 5 Jahre 4 Schläge abgezogen werden.
Unser Fazit und unsere Empfehlung
Wir empfehlen ganz eindeutig eine Laktatdiagnostik. Auch wenn die Methode etwas kostet und etwas aufwändiger ist, ist der Nutzen sehr groß und die Vorteile dieser Diagnostik rechtfertigen den Preis.
Zudem wird dadurch auch noch die Arbeit der Trainer und Sportwissenschaftler gewürdigt bzw. gefördert. Die geben dafür nach dem Test sogar als Bonus individuelle Trainingsempfehlungen.
Die Trainingsbereiche beim Laufen
- GA0 = regenerativer Dauerlauf: < 65 % max. HF
- GA1 = lockerer Dauerlauf: 70 - 80 % max. HF
- GA2 = moderater Dauerlauf: 80 - 85 % max. HF
- GA3 = Tempodauerlauf und extensive Intervalle: 85 - 90 % max. HF
- WSA = intensive Intervalle und kurze Tempoläufe / Wettkämpfe: > 90 % max. HF
Das Marathon-Tempo liegt übrigens bei rund 87 % der maximalen Herzfrequenz.
Mehr zu den Trainingsbereichen findest du hier: Das Lauftraining 1x1
Kommentare
Logisch, ich habe auch vorher auf meinen Puls geschaut, jetzt weiß ich auch was Sinn zum Trainieren macht